Theodor Mügge
(1802-1861)

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[ 1 ] Theodor Mügge wird am 8. November 1802 in Berlin als Friedrich Theodor Leberecht Mücke geboren. (Seinen Namen hat er später geändert, weil ihm "Mügge" als Schriftstellername geeigneter erschien.) Wie Gerstäcker und Möllhausen verliert er früh einen Elternteil, der Vater stirbt 1814. Er muss nun aus finanziellen Gründen eine kaufmännische Lehre absolvieren, setzt aber diesen beruflichen Weg nicht fort und geht zum Militär. Er erhält eine Ausbildung in der Artillerieschule in Erfurt, verläßt diese aber kurz vor dem Offiziersexamen, weil sich eine militärische Karriere mit seiner liberalen Gesinnung nicht mehr vereinbaren läßt. Seine nun schon ausgeprägte Ablehnung von Fremdherrschaft, gewachsen durch die Erfahrungen mit der napoleonische Unterdrückung und den Befreiungskriegen, bringen ihn dazu, 1825 nach Peru aufzubrechen, um sich der Revolution von Simon Bolivar gegen die Spanier anzuschließen. Er ist aber zu spät, die Spanier sind schon vertrieben, wie weit er aber auf seiner Reise tatsächlich gekommen ist, bleibt unklar. Allgemein wurde davon ausgegangen, dass er seine Reise in London abgebrochen hat, erst sein Enkel, der Schriftsteller Hans Dominik, berichtete, dass er Südamerika wirklich erreicht hat und dass die beiden Romane »Der Chevalier« (1835) und »Toussaint« (1840) das Ergebnis seines Aufenthaltes in San Domingo seien. Wieder zurück in Berlin beginnt Mügge ein naturwissenschaftliches und philosophisches Studium, welches er schließlich 1832 mit der Promotion zum Dr. phil. in Jena abschließt. Während seines Studiums wird seine erste Erzählung »Das Herz des Feindes« in dem Novellenband »Bilder aus dem Leben« (1831) veröffentlicht. Bis dahin hat er auch schon einige politische Schriften verfaßt, die sich kritisch mit der preußischen Regierung auseinandersetzten und schließlich dazu führen, dass eine akademische Laufbahn für ihn nicht mehr in Frage kommt. Er ist nun gezwungen, sich seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch die Schriftstellerei zu verdienen. Mit »Toussaint« verdient er genügend Geld, um zwischen 1842 und 1846 einige Reisen nach Skandinavien machen zu können, die er in den Romanen »Erich Randal« (1850) und »Afraja« (1854) verarbeitet. 1846 heiratet er zum zweiten Mal und führt bis zu seinem Tod eine glückliche Ehe, aus der drei Töchter hervorgehen. Mügge bleibt weiterhin politisch aktiv, gründet mit Gleichgesinnten im April 1848 die Nationalzeitung und nimmt staatliche Repressalien aufgrund seiner Einstellung hin. Sein bedeutsamster Roman, »Afraja«, macht ihn international bekannt, Übersetzungen erscheinen in England, Frankreich und Schweden. Finanziell aber ist das Ergebnis für Mügge unbefriedigend, an seinen Geldsorgen (die auch dazu führen, dass er manche Erzählungen unter unterschiedlichen Titeln zweifach verkauft) wird sich bis zu seinem Lebensende nichts ändern. Er stirbt am 18. Februar 1861 nach kurzer, aber schmerzhafter Krankheit. Noch auf dem Krankenlager korrigiert er seinen letzten Roman »Der Prophet« (1861).

In seinem gesamten Werk tritt er für Vernunft und Freiheit und gegen die Unterdrückung von Menschen und Völkern ein. Er thematisiert auch das Leid der Tiere und ist Mitglied im Tierschutzverein, der zu seiner Zeit Antitierquälerverein genannt wird.

In einem Nachruf in der Gartenlaube wird Leben und Werk Theodor Mügges von Max Ring ausführlich gewürdigt [ 2 ]:








Von der Literaturwissenschaft wurde Theodor Mügge bisher kaum wahrgenommen.

    ... Seine chronisch schlechte Finanzlage mag sicher der Grund für einige weniger gelungene Arbeiten gewesen sein, jedoch ist es nicht legitim darüber hinaus Mügges Glanzleistungen und Verdienste völlig zu vergessen. Die innerhalb der Germanistik nicht erfolgte Würdigung bleibt unverständlich ... [ 3 ]

Auf die literarische Ähnlichkeit der Werke von Charles Sealsfield und Theodor Mügge weist Albert B. Faust hin. [ 4 ]

    ... Der Schriftsteller, der mit Recht »der Doppelgänger« Sealsfields genannt werden sollte, ist Theodor Mügge, obgleich dies bisher vollständig der Beachtung entgangen ist. [...] Er widmete sich nun ganz der Litteratur und publizierte 1840 seinen Roman »Toussaint«, in welchem er den Freiheitskampf auf der Insel St. Domingo und den Hass der streitenden weissen und schwarzen Rasse beschreibt; in diesem Ausmalen eines Rassenkampfes folgt er dem Beispiel,, das Sealsfield in dem »Virey und die Aristokraten« (1834) gegeben hatte, [...]. Der Held des Müggeschen Romans, ein Repräsentant der besseren Klasse der Eingeborenen, ein Staatsmann und General, wie der tapfere Mulatte Rigaud, ein Ideal des Volkes, und auch das Ungeheuer Desalines haben alle ihresgleichen in Sealsfields mexikanischer Geschichte. Mügge ist immer der Vorkämpfer der Unterdrückten; er malt grosse historische Fresken und zeichnet meisterhaft, in wenigen Strichen, die hervorragenden Momente politischer Revolutionen. In dieser Hinsicht ist er der einzige wahre Nachfolger Sealsfields. Auch ist er sehr glücklich im Ausmalen des Erhabenen in der Natur und macht seinem Lehrer den Rang streitig durch seine künstlerische Beschreibung der Fjords und Fjelds von Norwegen, einem Lande, das er mehrere Male besucht, und dessen soziale und politische Verhältnisse er gründlich studiert hat (siehe »Afraja« 1854 und »Erich Randall« 1856). Theodor Mügges Erzählungen bieten in mancher Hinsicht einen Fortschritt; sie sind weniger skizzenhaft und alle zu einem zufriedenstellenden Ende geführt.
    Eines der populärsten Werke von Mügge, »Afraja« (1854), entlehnt eine Anzahl von Charakteren aus Sealsfields Romanen. Wie in dem »Legitimen u. d. Republikaner«, finden wir hier das letzte Ringen einer im Aussterben befindlichen Rasse, - nämlich der Finnen gegen die sie verdrängenden Dänen, Der alte finnische Häuptling Afraja und seine Tochter Gula sind offenbar die Nachbildungen des Indianerhäuptlings Tokeah und seiner Tochter Canondah.
    ...

Milosch Djordjewitsch geht in Anlehnung an Faust noch einen Schritt weiter und findet eine "Abhängigkeit" Mügges von Sealsfield: [ 5 ]

    ... Mügge, der auch manche Ereignisse aus der Geschichte Amerikas behandelt hatte, zeigt sich vielfach als ein Schüler Sealsfields. Wie Sealsfield hat er eine Vorliebe für große kulturhistorische Ereignisse, wobei er die politische Tendenz noch schärfer heraustreten läßt. Zum Hintergrunde der Handlung dient ein fremdes, meist exotisches Land, in »Toussaint« (1840) Zentralamerika, in »Afraja« (1854) Lappland. Die ethnographischen Beschreibungen mischen sich dabei mit lebhaft und anschaulich gegebenen Landschaftsbildern. Die gelungene Schilderung der Tropenwelt verwundert um so mehr, als er sie nicht aus eigener Anschauung kennt. Wie Sealsfield hat er auch Sympathie für die kämpfenden Völker. Im »Chevalier« (1835) und in »Toussaint« sind es die Neger der Insel Haiti, die gegen ihre weißen Unterdrücker sich erhoben haben; »hier stehen sich, wie bei Sealsfield, Sklavenhalter und Abolitionisten gegenüber, nur ist alle Klugheit und Güte auf Seiten der Letzteren«. Bei der Schilderung des Hasses zwischen Weißen und Schwarzen und des blutigen Rassenkampfes hatte Mügge sicher den »Virey« vor Augen. Wie Sealsfield begleitet er seine Erzählung mit Reflexionen über Freiheit, Macht, Staat Sklaverei u.d.ä. In »Afraja« ist ein ähnlicher Haß und Kampf zwischen Lappen und Normannen geschildert. In seiner Abhängigkeit von Sealsfield geht Mügge in diesem Roman so weit, daß er eine Anzahl von Charakteren aus Sealsfields Romanen entlehnt. »Die journalistische Einstellung Mügges kann selten sich zu epischer Plastik festigen ...« Aber seine Gestaltung großer historischer Szenen, Neigung zum Exotischen und die politische Tendenz machen ihn zu einem echten Nachfolger Sealsfields. ...

Bernd Steinbrink differenziert, verweist auf Ideen Coopers und zeigt Unterschiede zu Sealsfield auf: [ 6 ]

    ... Somit sind Sealsfields Romane Anknüpfungspunkte Mügges, wenn er am Rande der Wildnis den Staatengründer zum Protagonisten seines Romans macht. Der Held ist den Gesetzen und Konventionen der alten Gesellschaft entlaufen und wirkt beim abenteuerlichen Aufbau der neuen Gesellschaft mit. Es ist jedoch nicht zu übersehen daß sich Mügge nun nicht nur mit Sealsfield auseinandersetzte, sondern auch mit Cooper, ja, daß im Afraja Coopers Kritik der sich entwickelnden Zivilisation sogar weitaus stärker vernehmbar ist, als Sealsfields Apologie. Bereits im Chevalier und im Toussaint zeigen sich die unterschiedlichen Standpunkte Mügges und Sealsfields. Sealsfield betrachtet im Virey und die Aristokraten die unteren notleidenden Bevölkerungsschichten als gente irrational und schließt sie von jeglicher Wahrnehmung ihrer Interessen aus, er macht sie zu unvermeidlichen Opfern der Zivilisation. Mügge hingegen zeigt die Legitimität des Kampfes der Farbigen und der Stämme Haitis für ihre Freiheit und wendet sich gegen das egoistische Treiben der Vertreter der französischen Revolution, die die Farbigen von jeglicher Befreiung ausnehmen wollen. ...

Verwendet wurde:

[ 1 ]
Elisabeth von Hornstein: Theodor Mügge.
In:
Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur. Herausgegeben von Friedrich Schegk.- Meitingen: Corian-Verlag. 1988 ff.
20. Ergänzungs-Lieferung, September 1993

[ 2 ]
Max Ring: Theodor Mügge (Nachruf)
In:
Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt. Jahrgang 1861.- Leipzig: Verlag von Ernst Keil. 1861.
SS. 293-295

[ 3 ]
Elisabeth von Hornstein, wie [1]

[ 4 ]
Albert B. Faust:
Charles Sealsfield, Der Dichter beider Hemisphären. Sein Leben und seine Werke.- Weimar: Verlag von Emil Felber. 1897.

[ 5 ]
Milosch Djordjewitsch:
Charles Sealsfields Auffassung des Amerikanertums und seine literarhistorische Stellung.- Weimar: Verlag von Alexander Duncker. 1931

[ 6 ]
Bernd Steinbrink:
Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Studien zu einer vernachlässigten Gattung.- Tübingen: Max Niemeyer Verlag. 1983.